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Die Rathauskapelle

Die erste sichere Nachricht über die Marienkapelle - jetzt Rathauskapelle - auf dem Retzer Hauptplatz haben wir in einer Urkunde vom 2.5.1367, wo "Unser vrawen Kappeln ze Recz" genannt wird. Sie war damals Filialkirche der Urpfarre Unter-Nalb für die nach 1278 entstehende Stadt Retz.

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1378 ging die Kapelle in den Besitz der Pfarre Retz über, der gleichzeitig die gesamte Stadt Retz mit den Vorstädten vor dem "Znaymer- und Nalibertor" eingepfarrt wurde. 1425 wurde die Kapelle durch die Hussiten zerstört und erst 1437 wieder aufgebaut. Umbauten und Anbauten (Waaghaustrakt) erfolgten vor 1520. In diesem Jahr wurden 4 neue Altäre konsektiert.

1566 schien die baulich verfallene Kapelle nicht mehr im Besitz der Pfarre gewesen zu sein, da in diesem Jahr die Gemeinde den Auf- und Ausbau des Gotteshauses zum Rathaus beschloß.

Dieser Umbau erfolgte 1568/69 derart, dass man in halber Höhe der gotischen Außenmauern ein Gewölbe einzog. Der Sakralraum wurde der Länge und der Breite nach nicht verändert, der Höhe nach halbiert, so wurde in der oberen Hälfte Platz für Bürgersaal und Sitzungsräume geschaffen.

Die Marien- oder Liebfrauenkapelle, von nun an auch Rathauskapelle genannt, war schon im Mittelalter und zur beginnenden Neuzeit Sitz von kirchlichen Vereinigungen, sogenannten Bruderschaften. Von ihnen ist die Corporis-Christi-Bruderschaft, auch Gottsleichnams- oder Fronleichnamsbruderschaft genannt, von besonderer Bedeutung, weil dieser Vereinigung die Kapelle ihre künstlerische Ausgestaltung verdankt. Bevor ich auf diese näher eingehe, kurz einige Daten dieser Bruderschaft, die sich, wie der Name sagt, die besondere Verehrung des Altarsakramentes zur Aufgabe machte.

Am 22. Mai 1517 durch Anlage eines Bruderschaftsbuches und Eintragung der Gründungsmitglieder ins Leben gerufen, erhielt diese Vereinigung am 21.8.1518 durch die Bulle Papst Leo X. die kirchliche Bestätigung. Die päpstliche Bulle gestattete ausdrücklich:

1. jeden Donnerstag ein feierliches Hochamt vor dem ausgesetzten Allerheiligsten.
2. einmal im Monat eine Prozession außerhalb der Kapelle nach dem Ritus des Fronleichnamsfestes.

Ein eigener Kaplan, Benefiziat oder Altarist genannt, sorgte für die religiösen Aufgaben der Bruderschaft und für die Verwaltung des nicht unbedeutenden Stiftungsgutes und der Vermächtnisse, die allmählich anfielen.

In der Reformationszeit, in der Zeit der Glaubensspaltung durch Luther, erlosch 1573 die Bruderschaft. Über Ansuchen von Stadtgemeinde und Stadtpfarre wurde diese aber durch das Passauer Konsistorium mit Urkunde vom 3. Juni 1744 wiedererrichtet und in den nun folgenden 3 Jahrzehnten ganz im Hinblick auf die Eucharistie gestaltet. Schon das Portal kündet dies in einer Inschrift: Sacramentum haec datur gloria (dem Sakrament dies - d.h. diese Kapelle - zur Ehre). Sowohl die Wände wie das Gewölbe wurden 1756 durch den Znaimer Barockmaler Leopold Daysinger mit Gemälden versehen, die fast durchwegs Beziehung zum Altarssakrament haben.

Wenn wir den Sakralraum betreten, so sehen wir linker Hand das Bild des Stadtpatrons - Placidus - und ihm gegenüber den hl.
Florian, der sich der besonderen Verehrung in der Altstadt Retz erfreute. Anschließend die Kreuzigungsgruppe und gegenüber Christus im Schoße seiner Mutter nach der Kreuzabnahme. Darüber ein Bildnis des Landespatrons, des hl. Leopold.

Im sogenannten Presbyterium der Kapelle, vom Triumpfbogen gegen den Hochalter zu, fällt vor allem das Hochaltarbild Maria Verkündigung auf. Es ist im Unterschied zu den Wandgemälden auf Leinwand in Öl gemalt und führt zurück in die früheste Gründungszeit dieser Kapelle als Filialkirche der Urpfarre Unternalb für das Retzer Gebiet.

Und nun zu den Wand- und Deckengemälden:
Über dem Hochaltar die Allerheiligste Dreifaltigkeit, anschließend die Einsetzung des Altarssakramentes beim Letzen Abendmahl.

In den Fensternischen und links und rechts von diesen nun sogenannte eucharistische Heilige. Das sind Männer oder Frauen, Mönche oder Nonnen, die sich um die besondere Verehrung des Altarssakramentes oder um die Verteidigung der Anwesenheit Christi in der Eucharistie verdient gemacht haben. Vor allem war es der große Dominikanergelehrte Thomas v. Aquin, der die Hymnen und sonstige liturgische Texte zum Fronleichnamsfest schrief: darunter sehen wir das eingangs erwähnte Bruderschaftsbuch mit zwei Engeln, die die Monstranz halten. Das Bruderschaftsbuch ist im Original im Rathausmuseum in der Vitrine 1 zu sehen. Gegenüber der hl. Hyazinth von Polen, der gegen die Irrlehrer seiner Zeit ankämpfte.

So blieb Retz dieses Juwel erhalten, von dem der Kunsthistoriker Donin gesagt hat, die Retzer Rathauskapelle ist der anmutigste Sakralraum des Rokokostils in Niederösterreich.

Prof. Anton Resch †